Ein normaler Sonntag Morgen

10.2.2019

Sonntagmorgen, noch vor dem Frühstück: Nevio und Sophia sitzen beide an einem Tisch in der Küche und knobeln «Mathiaufgaben». Ein Erstklass-Mathiheft hat es Nevio angetan. Er schreibt Zahlen, zählt zusammen, verbindet Mengen und geniesst das Eintauchen in die Zahlenwelt. Er muss nicht, ist ja eigentlich erst Kindergärtner, aber es interessiert ihn halt. Nach dem Frühstück zieht er sich mit Noah zurück in die Legowelt und taucht erst am Mittag wieder auf.

 

Sophia hat angefangen von sich aus hinzusitzen und Aufgaben zu lösen. Eineinhalb Jahre hat es gedauert, der sogenannte Deschoolingprozess. Dies beschreibt den Prozess, welcher beim Ausstieg aus dem Schulsystem geschieht. Das heisst, wenn es von der extrinsischen Motivation, mit welcher in Schule gearbeitet wird, zur intrinsischen Motivation wechselt.

 

Wir haben uns darauf eingestellt, dass es eine Weile dauern wird. Da Sophia jedoch gerne zur Schule ging und auch eine gute Schülerin war dachten wir, dass sie schnell ihren Rhythmus finden wird. Sie hat sich zu Beginn total verabschiedet vom klassischen schulischen Lernen. Sie hat viel gespielt, gebacken, gekocht, gemalt, gebastelt, gefragt, gelesen, Geschichten gehört, Geschichten auf Video aufgenommen ….. Im Alltag haben wir Fragen an sie gestellt. Zum Beispiel musste sie 350 g Mehl abwiegen und ich fragte sie: Wie viel fehlt zu einem Kilogramm? In dieser Form konnten wir überprüfen, welche Kompetenzen aus dem Lehrplan sie erreicht hat und dies ohne, dass sie es schriftlich machen musste. Klar hat sie auch hin und wieder einen

Eintrag in ihrem Tagebuch gemacht, aber das war schon eher spärlich. Konnte sie aber auf einen Brief von ihrem Götti antworten fiel dieser Text nicht zu knapp aus. Alles was einen Bezug zum Alltag und zu ihrem direkten Leben hatte machte sie, alles Andere fiel praktisch weg.

 

In dieser Zeit fragten wir uns immer wieder, ob wir sie nicht zu Aufgaben überreden sollen oder ob es nicht nötig ist, dass sie doch regelmässig ihre Sachen ausfüllt. Da wir aber beobachteten, dass sie auch ohne diese vorgegebenen Sachen Fortschritte machte, liessen wir unsere Zweifel wieder los und ihr freie Hand darüber, was sie «arbeiten» möchte.

 

Jetzt, nach 1 ½ Jahren hat sie von sich aus die Motivation, ein Heft aufzuschlagen und sich darin zu vertiefen. Es ist doch wunderbar zu sehen wie sie nun Lust hat, sich auch da hinein zu geben und weiter zu gehen. Sie hat Lust, Rechtschreiberegeln kennen zu lernen, sich die Hintergründe von direkter Rede anzuhören, in der Mathi sich Aufgaben zu stellen, welche sie fordern……

 

Wir sind sicher, dass es immer wieder Phasen geben wird, wo sie nichts dergleichen machen will und einfach Zeit für sich, zum Freispiel, ihre Videogeschichten, ihre Bücher braucht. Und das Alles ist ja auch Lernen. Nun wissen wir, dass wir ihr Vertrauen können und sie am Schluss in der Lage sein wird, sich das anzueignen was sie braucht. Denn sie weiss, dass sie sich immer wieder die Pausen nehmen kann, welche sie braucht und genau das ermöglicht die intrinsische Motivation.